Besinnung am Wochenende am 5. August 2017

  • 05.08.2017
  • Superintendent i.R. Ekkehard Vollbach

Glauben - Gott ehren zu These 13 in Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen"

Das Institut für Demoskopie in Allensbach führte im August 2011 eine Umfrage zur Frage: „Was bedeutet Freiheit für Sie?" durch. Das Ergebnis:
1. 24% antworteten: Freiheit bedeutet, frei zu sein von sozialer Not, frei von Armut, Obdachlosigkeit
und Arbeitslosigkeit
2. 21% meinten: Freiheit bedeutet, das tun zu können, was einem gefällt, dass man reisen kann,
wohin man will, dass man leben kann, wie man will
3 52% sagten: Freiheit bedeutet, für sich selbst verantwortlich zu sein, sich frei für einen Beruf,
für ein Land, für eine Stadt entscheiden zu können wo man leben möchte und
sich für ein Ziel einsetzen zu können, das man erreichen will.
Das sind gängige, uns heute vertraute Vorstellungen von Freiheit, denen wir uns sicher alle mehr oder weniger anschließen können.
Aber diejenigen, die in den letzten Wochen öfter die Andacht sonnabends in der Lutherkirche besucht haben, werden wahrscheinlich immer wieder gehört haben, dass das, woran wir bei dem Stichwort Freiheit denken, Martin Luther beim Verfassen seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen" überhaupt nicht vor Augen stand.
Das politische Freiheitsverständnis hat seine Wurzeln nicht bei Luther, eher bei den Philosophen Machiavelli, Hobbes oder Locke.
Martin Luther ging es vielmehr um die Frage: wie das durch die Sünde zerrüttete Verhältnis zwischen Gott und den Menschen wieder in Ordnung gebracht werden kann.
Die Kirche zur Zeit Luthers lehrte, man könne durch gute Werke die Gnade Gottes fördern, steigern und so z. B. die Zeit im Fegefeuers verkürzen.
Luther dagegen betont: Kein Glaubender wird vor Gott gerecht (das heißt: rehabilitiert) durch Werke, Buße oder Aktionen, er kann noch so viel Gutes tun, wie er will.
Allein durch den Glauben an Christus wird man frei vom Zwang, sich die Liebe Gottes verdienen zu müssen.
In These 13 seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen" führt Luther aus, welche Bedeutung der Glaube für uns Christen und unsere Freiheit von Sündenschuld hat.
Der große Irrtum vieler unserer Zeitgenossen besteht ja darin zu meinen, der Mensch komme ohne Glauben an Christus ganz gut aus. Doch wer das glaubt, glaubt ja schon etwas und macht dabei noch die Rechnung ohne die Spezies Mensch, denn kein Mensch kann ohne Glauben leben. Auch der genialste Mathematiker, Physiker oder Chemiker, der in der Welt komplizierter Formeln zuhause ist, kann nicht ohne Glauben leben, lieben oder, mit anderen Menschen kommunizieren.
Es kommt nur darauf an, was ein Mensch glaubt, denn glauben im religiösen Sinne meint ja nicht, für möglich halten, dass es irgendeine Sache gibt oder nicht, dass eine Meinung oder Anschauung richtig ist oder nicht.
1. Glauben an Gott heißt: Gott vertrauen und sich an ihn binden. So ist es denn nur folgerichtig, dass Luther, wenn er vom Glauben an Gott redet, auf das erste Gebot zu sprechen kommt.
„Hier siehst du aber, aus welchem Grund dem Glauben zu Recht so viel zugeschrieben wird, dass er alle Gebote erfüllt und ohne alle Werke gerecht macht. Denn du siehst hier, dass er allein das erste Gebot erfüllt, in dem geboten wird: Du sollst den einen Gott ehren."
Wer an den einzigen wahren Gott, den Gott der Bibel, glaubt, ihm allein vertraut, kann nicht irgendwelchen Mächten, Idolen, Gottheiten oder sonstigen „Nichtsen", wie das die Bibel nennt, nachlaufen, ihnen vertrauen oder sie anbeten.
Das erste Gebot ist die großartige Freiheitsurkunde Gottes für uns, da sie aus allen falschen, gefährlichen und nutzlosen Bindungen herausführt.
Denn wenn Gott unser Herr ist, dann durchschauen wir die Lügen all der Menschen, Parteien, Sekten, die uns neues Leben, neue Kräfte, neue Einsichten und Blicke in die Zukunft versprechen. Dann durchschauen wir auch die hohlen Versprechen und Lügen der Mächtigen, die demokratische Strukturen untergraben und kritische Menschen in ihrem Machtbereich, verfolgen, verhaften und zu langen Kerkerstrafen verurteilen lassen. Denn alles, was an die Stelle Gottes drängt- seien es Menschen oder auch Lehren - hat nur ein Ziel: Menschen zu versklaven.
Dagegen steht - so widersprüchlich es auch sein mag - die Tatsache:
2. Nur wer Gott allein die Ehre gibt, der ist wirklich fei.
Mit dem Begriff Ehre haben wir heute so unsere Probleme, denn es hat den Anschein, als stünde der Begriff Ehre für vieles, was in der heutigen demokratischen Gesellschaft nicht mehr up to date, nicht mehr zeitgemäß, ist. Man denke an ehemals großartige Begriffe wie Feld der Ehre, Ehrenkodex, Blut und Ehre, Ehrendolch und sogar Ehrenmord, dem im Jahre 2000 immerhin 5000 Menschen weltweit zum Opfer gefallen sind.
In unserem Grundgesetz ist zu Recht nicht die Ehre des Menschen unantastbar, sondern seine Würde.
Ehre muss man sich heute verdienen, man hat sie nicht qua Geburt oder qua Amt.
Und dennoch kommt unsere Gesellschaft nicht ohne die Kategorie Ehre aus. Wir ehren in der Kirche einen Posaunenchorbläser für seine lange Mitgliedschaft im Posaunenchor mit der goldenen Ehrennadel, wir reden vom Ehrenamt, die Universität verleiht einen Ehrendoktortitel und wir geben einem Verstorbenen die letzte Ehre.
Und was bedeutet es auf diesem Hintergrund, Gott zu ehren?
Luther schreibt:
„... Gott will nicht anders geehrt werden, als dass ihm die Wahrheit und alles Gute zugeschrieben werde, wie es wahrlich ist"
Und was heißt das für mich ganz konkret?
Ein Blick in das Neue Testament hilft da weiter.
Im Lukasevangelium Kap. 17, Vers 11- 19 wird die Geschichte der 10 Aussätzigen erzählt, die Jesus um Heilung bitten. Er schickt sie zu den Priestern, die allein über das Ende dieser Krankheit befinden dürfen. Als die Männer auf dem Wege dahin bemerken, dass sie wirklich gesund geworden sind, setzen neun von ihnen Weg zu den Priestern fort, nur einer kehrt um, „pries Gott mit lauter Stimme und fiel auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm."
Gott die Ehre geben bedeutet:
umkehren, mein Leben immer wieder auf Gott hin ausrichten. Umkehren ist ärgerlich, aber auch ungemein befreiend, denn man kann sich neu orientieren, die Weichen des Lebens können noch einmal neu gestellt werden.
Wir alle wissen, wie schnell sich Gewohnheiten, Ängste, Irrtümer und menschliche Schwächen zwischen Gott und uns drängen.
Gesundheitliche Probleme, Sorge um das Wohl und Wehe und Enttäuschungen ebenso. Da ist die Verbindung mit Gott schnell unterbrochen.
Darum ist es immer wieder nötig umzukehren, sich Gott neu zuzuwenden, ihm wieder die gebührende Ehre zu geben.
Christus hat uns gelehrt, Gott als den uns liebenden Vater zu begreifen, doch wir Christen haben das missverstanden und gehen manchmal mit Gott um wie mit einem Kumpel und vergessen, dass im „Vater unser" nach der Anrede sofort die erste Bitte folgt, die da lautet „geheiligt werde dein Name". Das bedeutet, dass Gott nicht mit unsereinem zu vergleichen ist, dass ihm in besonderer Weise Achtung, Ehre und Anbetung gebühren.
3. Martin Luther erinnert in seiner 13. These an folgendes Problem:
„Die Werke aber sind tote Dinge, sie können Gott weder ehren noch loben, obwohl sie doch geschehen müssen und sich zu Gottes Ehre und Lob tun lassen."
Und Recht hat er, denn wenn Gutes tun automatisch zur Ehre Gottes führen würde, dann müssten alle Krankenschwestern, Ärzte, Feuerwehrleute, Erstretter usw. einfach durch ihre Tätigkeit das erste Gebot halten und Gott loben und ehren. Wir alle wissen, dass dem so nicht ist.
Martin Luther hat schon Recht, wenn er fortfährt:
„Darum ist es eine gefährliche, missverständliche Rede, wenn man lehrt, die Gebote Gottes mit Werken zu erfüllen, da doch die Erfüllung vor allen Werken durch den Glauben geschehen muss und die Werke auf die Erfüllung folgen..."
Das heißt: Gute Werke machen noch keinen Glauben, aber der Glaube an Gott sollte gute Werke machen!

4. Übrigens in der Erzählung von den 10 Aussätzigen wird auch berichtet, dass der eine nicht nur umkehrte, sondern auch Gott lobte und dankte.
Dazu noch einmal Martin Luther:
„Denn Gott will nichts anders geehrt werden, als dass ihm die Wahrheit und alles Gute zugeschrieben wird, wie er wahrlich ist. Das aber tun keine guten Werke, sondern allein der Glaube des Herzens."
In einer alten orientalischen Erzählung wird folgendes berichtet:
Ein König lernte einen Schafhirten kennen, der ihn durch sein Wissen und seine Lebensart so sehr beeindruckte, dass er ihn eines Tages zu seinem Berater ernannte. Die Minister und Beamten aber waren neidisch auf die Blitzkarriere des Hirten. Sie hinterbrachten dem König das Gerücht, sein persönlicher Berater schmiede heimtückische Pläne gegen ihn. Er ginge täglich eine lange Zeit in eine abgeschiedene Kammer. Der König war darüber verwundert und wollte den Dingen auf den Grund gehen. Er verlangte von seinem Berater, ihn in die Kammer zu führen. Aber der Raum war fast leer. Nur an der Wand hing das alte und verstaubte Hirtenkleid. Und der ehemalige Hirte und jetzige Berater des Königs antwortete auf die Frage des Königs, was er hier suche, bescheiden: er komme jeden Tag eine Stunde hierher, betrachte sein altes Gewand und führe sich vor Augen, wer er einmal gewesen sei und woher er komme.
Es ist wichtig, dass wir Gott die Ehre geben, indem wir im Glauben an ihn und im Vertrauen zu ihm täglich bedenken, wer wir sind und wie wir sind und wofür wir Gott zu danken haben. Amen

Prediger: Superintendent i.R. Ekkehard Vollbach