Besinnung am Wochenende am 22. Juli 2017

  • 22.07.2017
  • Landesbischof i.R. Prof. Dr. Christoph Kähler

„Von der Freiheit eines Christenmenschen" §§ 7.9Ansprache:Macht Glaube reich? Ja, Glaube macht reich!Aber wie, aber wen, und warum? Eine erste Antwort auf die Frage geben manche Pfingstgemeinden und ihre Prediger. Sie predigen ein Evangelium des Erfolgs: Wer sich zu Jesus bekennt, sagen sie, wird in seinem Leben Gutes und Güter die Fülle haben. Am eigenen sozialen Aufstieg kann man die Güte Gottes ablesen. Selbst, wenn wir diese direkte Verbindung zwischen Glauben und Erfolg anzweifeln - mit Recht anzweifeln, immer wieder stimmt sie dann doch: Wer sich aus den Elendsvierteln Lateinamerikas befreien möchte, findet oft genug in Pfingstgemeinden einen Weg heraus für sich und seine Familie. Botschaft und Gemeinschaft geben Halt gegen die Versuchung durch Alkohol oder andere Drogen. Sie lehren, die Familie zu achten. Und das lässt dann auch andere Vertrauen zu solchen Menschen fassen und ihnen Verantwortung übertragen. Sie steigen in der Firma auf. Ein intensives Glaubensleben und Erfolge in Beruf und Familie gehen da oft Hand in Hand. Solche Gemeinden habe ich selbst in Südkorea erlebt; sie zählen nach tausenden und kommen auch zu tausenden im Gottesdienst zusammen. Das ist schon beeindruckend. Christlicher Glaube ist dort attraktiv, er ist modern und verspricht Erfolg.Macht Glaube reich? Ja, Glaube macht reich! Manchmal such im wörtlichen Sinn, selbst dann, wenn die Prediger und die Gemeindeglieder Glaube und Erfolg nicht so direkt verbinden. Es gibt in England und den USA alte Quäkerfamilien, die ziemlich wohlhabend geworden sind und - bis heute - damit viel Gutes tun. Wie kam das? Diese Quäker verkauften ihre Ware nur zu einem gerechten Preis und forderten nicht zuviel, auch wenn die Käufer in Notlagen mehr bezahlt hätten. Das schuf auf lange Sicht Vertrauen und sicherte den Händlern treue Kunden. Manche von uns freuen sich noch heute an den bunten Bonbons von Quality Street, einst eine Marke von Quäkern, die heute noch mit diesem Geld in einer Stiftung Gutes wirken. Aus dem Glauben der Quäker ergab sich eine Haltung. Ihre Haltung hatte Folgen, die in diesem Fall keine Absicht waren.Macht Glaube reich? Ja, Glaube macht reich! Das sagt auch Luther in seiner Freiheitsschrift:„... ein rechter Glaube an Christus ist ein ganz überschwänglicher Reichtum"; allerdings fügt er hinzu: „ denn er bringt mit sich alle Seligkeit und nimmt alle Unseligkeit weg." Es ist klar: Luther meint keinen Besitz von Gold und Geld, sondern einen Reichtum des Glaubens, ein erfülltes Herz und damit einen freien Kopf. Ja, er kann es knapp so zusammenfassen:„Glaubst du, so hast du. Glaubst du nicht, so hast du nicht." Und er meint damit den Schlüssel fürs ganze Leben, der alles andere, die Welt, meine Umgebung und sogar mich selbst aufschließt. Alles Ungenügen an mir selbst wird unwichtig, alles Scheitern an hochgesteckten Erwartungen verliert sein Gewicht, aller Neid auf glücklichere Nachbarn wird bedeutungslos. Sie vergehen, weil mich das Vertrauen zu Gott trägt. Dann bin ich ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan; zugleich aber auch ein dienstbarer Knecht und jedermann untertan. Denn „um mich hab ich mich ausbekümmert" wie es Graf Zinzendorf dichtete:Um mich hab ich mich ausbekümmertund alle Sorg auf Gott gelegt;Würd Erd‘ und Himmel auch zertrümmert,so weiß ich doch, dass er mich trägt;und habe ich meinen treuen Gott,so frag ich nicht nach Not und Tod." Macht Glaube reich? Ja, innerer Reichtum folgt dem Glauben und hilft, unangemessene Ansprüche abzuwehren. Man muss nur einen kleinen Blick in die Ratgeberliteratur werfenund findet sofort die Rezepte zum großen Glück. Was uns glücklich machen soll, kann sich sehr unterscheiden. Damals, zur Reformationszeit, waren es Ablasszettel, die Heil und Seligkeit versprachen und Rettung vor dem Höllenfeuer. Heute haben sich die Händler andere Themen ausgedacht, mit denen sie an unser Geld wollen. Die Erfolgreicheren unter ihnen verkaufen nicht eine einfache Ware, ein Produkt. Nein, eigentlich verpacken sie ihre Dinge in eine ganze Philosophie, in das Versprechen, glücklich zu werden, wieder schön und jung, bekannt und geachtet, gebildet und durchtrainiert. „Was ist dein Ideal?" fragen sie und versprechen: „Ich verkaufe es dir! Alles, was du brauchst." Nur dumm, dass an der nächsten Ecke der nächste Verkäufer steht und dasselbe verspricht für eine andere Ware. Freiheit von Christen und anderen Menschen sieht anders aus. Sie verschafft Gelassenheit, hilft zur Konzentration auf das, was jetzt nötig ist. Anderes kann warten. Manches ist unnütz. Diese Gelassenheit öffnet auch die Augen auf das, was uns geschenkt ist: an Menschen und an Natur, an eigenen Gaben und an Helfern dort, wo wir nicht so geschickt sind oder Fürsorge brauchen. Macht Glaube reich? Ja, er macht reich, weil er uns lehrt zu sehen, was uns geschenkt ist; und er lehrt uns zu sehen, wo wir gebraucht werden. Der Glaube selbst muss nicht reich sein, manchmal ist er klein, furchtsam und ärmlich. Aber er ist und bleibt der Schlüssel - zum Leben. Amen.

Prediger: Landesbischof i.R. Prof. Dr. Christoph Kähler