Besinnung am Wochenende

  • 21.07.2018
  • Superintendent i. R. Ekkehard Vollbach

Brief des Paulus an die Epheser Kapitel 5, Verse 8+9

Nachtflohmarkt, Kindernachtlauf, Fußballspiele unter Flutlicht - wir machen die Nacht zum Tage. Was Finsternis bedeutet, wird uns erst jäh bewusst, wenn in einem fremden Treppenhaus plötzlich das Minutenlicht erlischt und wir uns ängstlich und unsicher zum nächsten Lichtschalter tasten.
Wir leben heute mit so viel Licht, dass schon vor einer Lichtverschmutzung gewarnt werden muss, die das Ökosytem in unseren Städten beeinträchtigt und gefährdet. Darum können wir uns nur schwer in die Lage der Menschen zur Zeit der Abfassung des Epheserbriefes versetzen, für die Finsternis Gefahr bedeutete. In der Dunkelheit heulten die Hyänen, streiften Leoparden umher, waren giftige Schlangen aktiv und gingen Diebe und Räuber ihren üblen Geschäften nach. Kein Wunder, dass Finsternis - gefährlich und bedrohlich wie sie eben war - für die Menschen damals gleichbedeutend war mit dem Bösen, sowie mit einem Leben ohne Gott.

Der Gegensatz Licht und Finsternis bot sich darum wie von selbst als Möglichkeit an, das Leben mit und ohne Gott zu umschreiben. Das haben bereits die Menschen zur Zeit des AltenTestaments getan. Man denke nur an die Bibelstelle Jesaja 9, 1, die uns als eine der weihnachtlichen Weissagungen gut bekannt ist: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell."
Paulus verwendet das Gegensatzpaar Licht und Finsternis des Öfteren. Zum Beispiel Römer 13, 12, „So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts. Lasst uns ehrbar wandeln wie am Tage, ..." oder 2. Korinther 6, 14 „Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis?"

Der Wochenspruch für die Woche ab dem 8. Sonntag nach Trinitatis (also ab morgen) Epheser 5, 8+9
„Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit"
folgt diesem Gedankengang und nimmt den Gegensatz von Licht und Finsternis auf, um damit das Leben des Menschen vor der Taufe vom Leben nach seiner Taufe zu unterscheiden und zugleich den eminenten Unterschied der beiden Lebensabschnitte hervorzuheben. Darum beginnt der Vers 8 mit den Worten:
„ ihr wart früher (als Ungetaufte) Finsternis; nun aber seid ihr (als Getaufte) Licht in dem Herrn".
Der Schreiber des Epheserbriefs erinnert seine Leser damals und uns heute so an das besondere, einzigartige und das Leben der Menschen verändernde Ereignis der Taufe. Leider haben wir Christen die herausragende Besonderheit und Bedeutung der Taufe schon seit vielen, vielen Jahren völlig vergessen, ja missachtet. Sie wurde schließlich sogar mehr und mehr zum Verwaltungsakt der staatsbürgerlichen Registrierung. Die Kinder wurden „weggetauft" und nach Einführung der Standesämter im Jahr 1876 war die Taufe eine nette Familienfeier.
Biblisch ist solch eine Sicht der Taufe natürlich nicht, wie der Wochenspruch Epheser 5, 8+9 erkennen lässt. Im 4. Hauptstück des Kleinen Katechismus erklärt Martin Luther sehr genau und engagiert, was Taufe für uns bedeutet. (Im Gesangbuch nachzulesen bei Nr. 806.4) Sie ist alles andere als eine Formsache. Die Taufe macht aus uns nicht andere Menschen. Getaufte sind nicht ohne Fehl und Tadel. Sie macht aber zu Menschen, die in einem besonderen Verhältnis zu Gott stehen und deren Leben dadurch ein Ziel hat. Dass Getaufte ein besonderes Verhältnis zu Gott bzw. Christus haben, muss sich aber auch im täglichen Leben zeigen. Da schließt sich so manches, was ansonsten üblich ist, von vornherein aus.
Was halten wir von einer Person, die dauernd von Naturschutz redet, aber in ihrem Garten alles Grün auf dem Plattenweg mit Glyphosat totspritzt. Einem Politiker, der Tweets schreibt und offensichtlich lügt wie gedruckt, dem vertraut man nicht. Ein Polizist, der im Supermarkt klaut, hat seinen Beruf verfehlt. Solche Leute sind unglaubwürdig, sie bringen ihre Zunft in Misskredit.
Nicht nur Missbrauchsvorwürfe im kirchlichen Raum bringen das Christsein und die Kirche in Misskredit, auch unsere Streitereien, unsere Rechthaberei, unser Tun, das nicht unseren frommen Worten entspricht. Wenn wir nicht so leben, wie Christus es von uns erwartet, dann sagt er vielleicht dereinst auch zu uns wie Mt. 25, 12 im Gleichnis von den 12 törichten Jungfrauen: ich kenne euch nicht.

Der Epheserbrief belässt es nicht bei allgemeinen Ermahnungen. Er wird ganz konkret und nennt drei Tugenden, die es für Christen zu leben gilt, nämlich: Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.
Auf einem Waggon der S-Bahn in Berlin hat ein Sprayer mit großen schwarzen Buchstaben folgenden Satz gesprüht: „Vorschlag zur Güte: Ihr lasst das dran, dafür mal ich nix neu."
Die Redewendung „einen Vorschlag zur Güte machen" ist seit dem 17. Jahrhundert in Gebrauch und meint, dass man sich ohne Streit einigt. Aber hat „sich gütlich einigen" wirklich etwa mit Güte zu tun? Da geht es um einen Kompromiss, der jeder Partei nützt, jeder ist darauf bedacht, nicht zu viel zu verlieren. Güte meint etwas anderes. Da ist man nicht auf den eigenen Vorteil bedacht. Güte ist in der Lage, die Emotionen und Wünsche des anderen zu verstehen und dem anderen in Geduld und Nachsicht zu begegnen. Das beste Beispiel für Güte in der Bibel ist Jesu Gleichnis vom barmherzigen Samariter, von dem Mann aus Samaria, der für einen hilfsbedürftigen Fremden Zeit, Kraft und Geld opferte. Jeder Christ muss sich bemühen, anderen Menschen freundlich zu begegnen und versuchen, die Meinung anderer zu verstehen. Und wir Christen sollten auf alle Fälle vermeiden, Gleiches mit Gleichem zu vergelten.

Bei dem Stichwort Gerechtigkeit steht uns vielleicht die Gestalt der Justitia vor Augen, die seit dem 15. Jahrhundert als Jungfrau mit der Augenbinde, in der linken Hand die Waage und in der rechten das Richtschwert haltend, dargestellt wird. Gerechtigkeit ist ein Grundwert für das Zusammenleben der Menschen. Darum ist es kein Wunder, dass das Wort Gerechtigkeit im Alten Testament rund 180 Mal vorkommt und im Neuen Testament 75 Mal. Im AT geht es vor allem um das Zusammenleben der Israeliten und um im NT besonders um das Zusammenleben der Christen wie hier im Wochenspruch.
Der Briefschreiber weiß, wie ungerecht es manchmal in christlichen Gemeinden zugeht. Jeder will gerecht behandelt werden, mit seinen Anliegen Beachtung finden und vor allem ästimiert und gewürdigt werden. Und wehe, das geschieht nicht im gewünschten Maße. Schon Kinder sind aufgebracht, wenn sie sich nicht gerecht behandelt fühlen. Wehe, der eine hat im Kindergarten ein größeres Stück als man selbst bekommen.
Beurteilen wir die Menschen, mit denen wir es zu tun haben, wirklich gerecht, oder haben wir längst unser Urteil gefällt und die uns unliebsamen abgeurteilt, abgeschrieben und abgeschoben?
Es geht dem Epheserbrief hier gar nicht um das gerechte Verhalten zu völlig Fremden, den Nachbarn von gegenüber, den Polen, Türken oder Afrikanern in unserer Straße. Es geht um das Miteinander in der Kirchgemeinde! Es ist so schlimm, dass nicht einmal das klappt. Und das ist nicht erst in heutiger Zeit so. Schon in der alten Kirche war das ein Problem. Darum sagt der Epheser: Leute, ihr seid Christen, nun lebt aber auch danach. Nehmt euch Christus zum Vorbild und seine Gerechtigkeit, seinen Umgang mit den Menschen auch mit den unliebsamen, die es in der Gemeinde sicher auch gibt. Wie heißt es so treffend im Talmud: „Wo viel Gerechtigkeit ist, da ist viel Frieden."
Schließlich noch ein paar wenige Gedanken zum Stichwort Wahrheit: Ein Unbekannter dichtete:
„Wahrheit ist ein starker Trank, wer ihn braut hat selten Dank,
denn der Menge schwacher Magen kann ihn nur verdünnt vertragen."
Das Problem Wahrheit hat die Philosophen aller Zeiten beschäftigt. Sie suchten immer wieder eine Antwort auf die Frage: „Was ist Wahrheit?" Nun, so grundsätzlich will der Epheserbrief hier über Wahrheit gar nicht nachdenken. Es geht ihm auch nicht um die Wahrheit über Gott und Christus. Er will nur daran erinnern, dass es für Christen unabdingbar ist, ehrlich zu sein und sich einander in unverletzlicher Weise die Wahrheit sagen. Ich las kürzlich den Satz: „ Wahrheit basiert einzig und allein rein auf Wahrheit und nicht auf häufig wiederholte Lügen." Daran sollten nicht nur Politiker
und Redakteure denken, sondern wir Christen sollten uns bewusst machen, dass es schön und ganz toll ist, wenn das Leben der Christen mit der Wahrheit des Christus übereinstimmt. Zum Glück ist es aber so, dass die christliche Botschaft auch dann wahr ist, wenn Christen sie schlecht vertreten.

Sup.i.R. Ekkehard Vollbach