Besinnung am Wochenende
- 11.08.2018
- Missionsdirektor Pfarrer Christian Kreusel
Demut vs. Hochmut? - 1. Petrus 5,5
„Demut versus Hochmut?" so lautet das Thema der heutigen Besinnung am Wochenende.
Also demütig oder hochmütig leben? Ich weiß nicht, wie es ihnen geht: Aber dass Hochmut keine gute Lebenshaltung ist, das ist doch klar. Da brauchen wir doch nicht lange darüber nachdenken. Ein hochmütiger Mensch, der andere demütigt - das kann doch auf Dauer nicht gut gehen. Und dass, wie das Sprichwort sagt, der Hochmut vor dem Fall kommt - da gibt es in der Geschichte der Menschheit eine Menge von Beispielen. Auch aus unserem persönlichen Umfeld kennen wir das sicher.
Also ist es besser, demütig zu sein. Doch stimmt das so einfach?
Demütig sein - heißt das auch: gehorsam, gefügig, unterwürfig sein?
Menschen mit solcher Haltung haben sich leider schon oft zu schlimmen Dingen missbrauchen lassen. Und wenn jemand in demütiger Haltung nie aufbegehrt, alles gehorsam mit-macht, was von ihm gefordert wird - dann stabilisiert er vielleicht auch ungerechte Strukturen, dann schadet er anderen Menschen. Und deshalb haben wir Menschen heute, ich denke berechtigt, ein distanziertes Verhältnis - mindestens zu einer Form von Demut, die mit einem unbedingten Gehorsam verbunden ist.
Also: Demut statt Hochmut - ich denke, Sie merken, ganz so einfach ist das nicht.
Ich möchte in diesem Zusammenhang mit Ihnen ein Wort aus dem Neuen Testament der Bibel genauer ansehen. Es ist der Wochenspruch der nächsten Woche.
Dieses Wort steht im 1. Petrusbrief Kapitel 5, Vers 5 geschrieben. Dort wird den Mitgliedern frühchristlicher Gemeinden gesagt:
Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.
Geschrieben wurde der 1. Petrusbrief übrigens gegen Ende des 1. Jahrhunderts nach Christus. Es geht in diesem Brief darum, wie die Christen in ihren verstreuten christlichen Gemeinden unter den politisch und persönlich oft sehr schwierigen Bedingungen des damaligen römischen Reichs ihr gemeinsames Leben gestalten sollten:
Verantwortung füreinander übernehmen, als gute Haushalter in Liebe das Miteinander gestalten, Böses nicht mit wieder Bösem, sondern mit Gutem vergelten - das sind Stichwörter, die in diesem Zusammenhang zu lesen sind.
Und fast als Zusammenfassung hören wir dann die Worte:
Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.
Also auch hier: Festhalten an der Demut ist der richtige Weg.
Allerdings: Was ist denn hier die Demut eigentlich? Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?
Aus dem Althochdeutschen ist uns übrigens das Wort „diemuot" überliefert. Da steckt das das Wort „dienstwillig" oder „dienen" drin. Und auch das Wort „Mut" ist enthalten. Später ist daraus „Demut" entstanden. Ein demütiger Mensch ist also ein Mensch, der Mut zum Dienen hat? Dem seine Mitmenschen damit nicht egal sind?
Das ursprünglich im Neuen Testament ja griechische Wort für Demut bedeutet unter anderem auch „bescheiden".
In unserer Tradition ist ja zumindest Bescheidenheit eine durchaus erstrebenswerte Tugend.
Ein hochmütiger Mensch dagegen stellt sich gern über andere Menschen. Er wirkt oft arrogant. Da baut ein Mensch eine Fassade auf, er wirkt überheblich. Dass hinter einer solchen hochmütigen Fassade oft auch Unsicherheit und Angst stecken, das ist ein ganz anderes Thema. Wenn man nämlich in einer hochmütigen Art andere klein macht, dann kann man selbst etwas besser glänzen. Aber wirklich froh wird damit wohl niemand. Deshalb kann es gut sein, wenigstens zu versuchen, auch mit einem solchen Menschen etwas tiefer ins Gespräch zu kommen. Nicht immer, aber manchmal kann das vielleicht auch für ihn hilfreich sein.
Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.
Was ist aber hier mit Hochmut oder Demut genauer gemeint? Gleich im folgenden Vers ist zu lesen: So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit.
Es geht also vor allem um das Verhältnis zu Gott.
Und da ist schon zu sehen: Menschen, die Gott abschaffen und sich selbst an Gottes Stelle setzen wollen, egal ob sie Hitler, Stalin, Pol Pot oder sonstwie heißen, die sind selbst Maßstab aller Dinge. Die katastrophalen und menschenverachtenden Auswirkungen kennen wir, da muss ich Ihnen nichts dazu erzählen.
Doch da gibt es auch sonst so eine Haltung: „Wir sind die Macher, wir regeln das". Mindestens so, dass es für uns gut ist. Ja und dann werden sie eingesackt - die gewaltigen Gewinne.
Nur: Wenn Schäden entstehen - in der Bankenkrise, beim Betrug um die Abgasreinigung von Dieselmotoren oder wo auch immer - dann kann ja die gesamte Gesellschaft die Dinge wie-der gut machen. Dann stehen die vorher kassierten Gewinne nicht zur Verfügung. Ethische Fragen stehen da nicht so sehr im Mittelpunkt. Da ist eine Menge an Hochmut mit im Spiel.
Und dann gibt es ja auch noch das Bestreben um sogenannte Gottesstaaten. Da muss Gott für menschlichen Hochmut oder für menschliche Machtgelüste herhalten. Was da letztlich herauskommt - auch das muss ich Ihnen nicht erzählen.
Doch dann - dann gibt es noch eine andere Haltung: Da weiß ich: Ich kann nie der Höchste sein. Und ich muss auch nie der Höchste sein. Da ist immer einer über mir, durch den ich überhaupt nur da sein kann.
Da ist einer in unsere Welt gekommen und hat uns Dinge gelehrt wie: „Selig sind die Barmherzigen, selig sind die Friedfertigen" und so manches dieser Art mehr. Da ist einer, der sagt: Wir dürfen Gott lieben, genauso wie unsere Nächsten, und auch uns selbst dürfen wir als gewollte und von Gott geschaffene Menschen annehmen.
Da sagen wir Christen: Gott ist in seinem Sohn Jesus Christus in unsere Welt gekommen und hat dies alles nicht nur gepredigt, sondern auch bis zur letzten Konsequenz gelebt. Er hat Menschen nicht kleingemacht, sondern aufgebaut. Er hatte Mut zum Dienen, er war also in diesem Sinne demütig.
„Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade."
Es geht hier um das Hochmütig oder Demütig sein vor Gott, und das hat Auswirkungen zu unserem Verhältnis zu Mitmenschen.
Von dem manchen von Ihnen vielleicht bekannten Theologen Richard Schröder ist ein nachdenkenswerter Satz bekannt. Er sagte einmal sinngemäß:
„Wer sich vor Gott als seiner höchsten Autorität verbeugt, der kann aufrecht vor Menschen treten."
Wer also Gott als höchste Autorität anerkennt, der weiß:
Da ist einer, durch den ich überhaupt erst bin.
Da ist einer, der ist Ursprung der gesamten Schöpfung und damit auch meines Daseins.
Da ist einer, der mir, genauso wie jedem anderen Menschen auf dieser Welt, eine Würde gegeben hat, die nicht wieder genommen werden kann.
Da ist einer, der mir auf dieser Grundlage gute Maßstäbe für mein Leben gegeben hat, die dem Gelingen des Lebens und auch des Miteinanders dienen können.
Und auf Grundlage dieser Art von Demut kann und soll ich aufrecht als von Gott geliebter und geschaffener Mensch meinen Weg gehen.
Da kann ich aufrecht gehen und meine Kräfte und Fähigkeiten nutzen um mich einzumischen:
Für ein faires Miteinander und für möglichst viel Gerechtigkeit unter uns Menschen.
Für eine möglichst gute Bewahrung der Schöpfung, von der auch die kommenden Generationen noch leben sollen.
Für Frieden - erst einmal in meinem persönlichen Umfeld, und damit letztlich auch für den Frieden unter den unterschiedlichen Menschen dieser Welt.
In dieser Weise Demütige sollen also von Gott gnädig angesehen werden, die sind also auf einem Weg in eine lebenswerte Zukunft.
Nun werden Sie sagen: Na ja - das kennen wir schon. Das sind große Worte. Aber wirklich danach zu leben, das gelingt doch kaum.
Sicher ist das so. Allerdings leben wir zurzeit auch nicht im Paradies, sondern in dieser Welt.
Aber wenn im ersten Petrusbrief unter anderem zu hören ist:
„Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade." - dann gibt ein solcher Satz die Richtung an, die für die frühen christlichen Gemeinden, aber auch für uns sehr hilfreich kann.
Und für mich ist wichtig, dass wir in unserer oft so wirren und undurchsichtigen Welt Weg-weiser haben. Und damit eine Richtung, die gut für uns alle ist, die dem Aufblühen des Lebens dient.
Und wenn Sie genau nachdenken: Bei allem Schlimmen in dieser Welt - gibt es das nicht auch: Dass sich Menschen gegenseitig beistehen, dass sie ein gutes Wort sagen und andere wieder aufrichten?
Dass das Miteinander gelingt, dass scheinbar ewig schwelende Probleme hin und wieder doch gelöst werden?
Gibt es das nicht auch, dass Menschen ganz praktisch Hilfe erfahren, dass Menschen inner-lich aufgebaut werden und Kräfte sammeln für sich und für andere?
Gibt es das nicht auch, dass Menschen im genannten Sinne demütig sind vor Gott und dann aufrecht in die Welt gehen und manches an lebensfördernden Dingen zustande bringen?
Sicher - in Perfektion wird das in unserer Welt nie gelingen. Aber in Ansätzen schon. Und das sollten wir trotz der vielen schlimmen Dinge in dieser Welt auch sehen.
Diese Wege sollten wir weitergehen. Nicht in Hochmut, sondern in Demut vor Gott. Und dann können wir aufrecht unseren Weg gehen. Gemeinsam mit unseren Mitmenschen. Zuversichtlich. In eine Zukunft in Gottes Hand. Amen.
Pfr. Christian Kreusel