Ansprache zur Weihnachtsmotette

  • 24.12.2017 , 4. Advent, Heiliger Abend
  • Pfarrer Hundertmark

Liebe Gemeinde,

Die Frage, wer uns regieren wird, ist eine drängende und bis heute eine, zumindest politisch, noch ungelöste Frage.

Aber eigentlich stellt sie sich täglich. Denn wir müssen uns permanent entscheiden, wem wir Einlass gewähren in unser Denken und Fühlen, von wem wir uns bestimmen lassen. Am Heilig Abend liegt es nahe, diese Frage mit „Jesus Christus“ zu beantworten. Aber ist das wirklich so?

Bestimmt dieses Krippenkind unser Denken und Fühlen und als Folge dessen auch unser Tun? Oder regieren nicht die vielen alltäglichen Könige unsere Herzen und Sinne und wir tun dann, was sie wollen?

Es bleibt zumindest die Hoffnung, dass zum nächsten christlichen Hochfest, zu Ostern, politisch klar ist, wer Verantwortung für unser Land übernimmt. Und für unsere Seelen? Irgendjemand muss doch etwas für unsere Rettung tun.

Die Weihnachtsbotschaft des Engels „Fürchtet euch nicht, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr“ gibt Anlass, zu hoffen. Gott macht durch seinen Boten der frohen Botschaft den ersten Schritt auf uns zu und übernimmt dadurch Verantwortung für unser Heil und für unsere Suche nach Lebenssinn. Denn wir bekommen die Chance, zu überdenken, was bisher alltäglich und gewohnt war. Wir dürfen neu beginnen mit dem Krippenkind als König unserer Herzen.

Sein Regierungsprogramm besteht aus nur einem Wort: „Liebe“. Damit hat es das Krippenkind freilich schwer, weil es keine Mehrheit besitzt, wenn es bestehen muss gegen eine große Koalition aus, Angst, Egoismus und Neid. Gottes Minderheitsregierung in unserem Herzen offenbart aber eine gute Zukunft.

Dabei bestimmt Gott nicht, was wir zu tun und zu lassen haben. Vielmehr lädt er ein, ihm zu vertrauen und sein Angebot, unser Leben begleiten zu wollen, anzunehmen. Wo das gelingt, geschieht Veränderung im Umgang untereinander, weil die Menschen an unserer Seite aus einem anderen Blickwinkel wahrgenommen werden. Es ist der Blick göttlicher Mitmenschlichkeit und nicht der Blick menschlichen Konkurrenzdenkens oder der angstvolle Blick, zu kurz zu kommen. Von den Möglichkeiten und Chancen, die das Krippenkind bietet haben wir gehört, liebe Gemeinde. Doch die Frage nach dem „Wie?“ bleibt. Wie soll das geschehen?

Eine Strophe des vorhin gehörten Liedes zeigt uns die Spur zum König der Könige. Zuallererst bedarf es den veränderten Blick weg von der Höhe hin zum Staub der Erde, dem Symbol für erdgebundenes Leben ohne Machtinsignien.

„König der Könige,

sei uns im Staube willkommen.

Nicht bei den Engeln erscheinest du,

nicht bei den Frommen.

Sünder sind´s nur, · wo du auf niedriger Spur · huldreich den Einzug genommen.“

Weihnachten ist nicht das Ereignis, an dem sich die himmlischen Heerscharen der Engel ergötzen. Weihnachten ist auch nicht das Fest für die Superfrommen, die immer alles schon zweifelsfrei wissen und durch ihre Frömmigkeit sich vom heiligen Geist so aufgepumpt fühlen, dass sie über dem Boden schwebend durchs Leben ziehen.

Weihnachten ist das Fest der Erdgebundenheit. Gott bindet sich an uns Erdbewohner und macht Weihnachten somit zum Fest, wo der Gottesferne, nichts anderes bedeutet „Sünder“, sich freuen darf, weil Gott nicht mehr fern ist, sondern nah.

So nah, dass er menschlich wurde, damit wir es endlich, im wahrsten Sinne des Wortes, begreifen – Gott als Mitmensch, Bruder und Weggefährte, als Kind, von dessen gütiger Seele wir lernen können. Wahrlich wunderbar ist die Seele eines Kindes. Daran erinnert das erwachsene Gotteskind Jesus immer wieder. Gottes Kindschaft schafft es, dass wir Kinder bleiben können, auch dann, wenn wir der Kindheit erwachsen sind. Darin steckt göttliche Wahrheit. Im Johannesevangelium wird sie uns so vermittelt:

„Das Word ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit,

eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohns vom Vater voller Gnade und Wahrheit.“ Johannes 1,14

Mitten hinein in eine sich in Dunkelheiten gefallende Welt, die allenfalls durch Blitzlichter sich selbst fotographierender Menschen erleuchtet wird, kommt Gott als Mensch, um unter uns zu wohnen. Seine Wohnung ist die Krippe. Aus ihr heraus spricht das Kind zu denen, die es suchen und finden: „Fürchtet euch nicht!“

Solchen göttlichen Zuspruch brauchen wir, dringend und unbedingt. Weil Furcht zu Wut führt auf alles, was uns umgibt. Aus Wut aber entsteht Hass auf diejenigen, die Liebe brauchen. Und Hass führt letztlich zu unsäglichem Leid. Das Krippenkind scheut vor solch menschlicher Verkettung nicht zurück. Vielmehr nimmt Jesus Christus das unsägliche Leid auf sich, trägt es zum Kreuz und erlöst uns dadurch von aller niederdrückenden Last unter der wir zerbrechen würden.

Deshalb brauchen wir keine Furcht zu haben, weder vor dem Tod und auch nicht vor dem Leben und erst recht nicht vor dem König der Könige. Bauen wir dem Jesuskind also seine Krippe, damit es von diesem Thron regieren kann! Bauen wir sie in unserem Herzen! Amen.