Ansprache in der Vesper in der Kreuzkirche

  • 09.03.2019
  • Pfarrer Hundertmark

„Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“ (1. Joh 3, 8b)

 Zu Beginn der Fasten- und Passionszeit erzählt das morgige Sonntagsevangelium von Jesu Versuchung aus drei unterschiedlichen Perspektiven.

Die Wüste, sonst als Ort der Gottesoffenbarung und Bewahrung oder als Ort der inneren Einkehr wie bei Mose bekannt, wird hier zum Ort der Begegnung mit dem Versucher. Matthäus bezeichnet ihn als „Diabolos“ – der „Durcheinanderwirbler“.

Jegliche innere Einkehr wird durcheinandergewirbelt als Jesus vom Versucher in die Realität zurückgeholt wird. Nach vierzigtägigem Fasten muss der Hunger groß sein. Wer Gottes Sohn ist, kann Wunder vollbringen und aus Steinen Brot machen.

Was hat das mit mir zu tun, liebe Gemeinde? Weder faste ich 40 Tage, schon gar nicht in der Wüste, noch kann ich Wunder vollbringen? Schnell scheint die Geschichte hier zu Beginn schon an der Lebenswirklichkeit heutiger Hörer vorbeizugehen.

Jesus wehrt den ersten Angriff mit dem Hinweis, dass es nicht nur leibliche Nahrung braucht, sondern auch Nahrung für die Seele, ab.

Materielle Übersättigung führt nicht automatisch zu Glück und Zufriedenheit. Ich sehe meine Gesprächspartnerin vor mir. Sie erzählt von ihren Wünschen damals. Mit Anfang dreißig hatte sie ein schönes Auto, einen tollen Mann und eine Eigentumswohnung – genauso, wie sie es sich immer wünschte. Glücklich war sie nicht. Der innere Hunger blieb ungestillt; fraß sich in die Seele und führte sie an den Rand einer tiefen Depression.

Die siebenwöchige Einladung vor Ostern, sich Gedanken über die Dinge zu machen, die lebensnotwendig sind, ermutigt uns auch zu Veränderungen liebgewordener Gewohnheiten.

 Der zweite Anlauf des Diabolos führt Jesus auf das Dach des Tempels. Schnell lernt der Teufel. Das, was Jesus kann, vermag er auch – mit der Schrift zu argumentieren: Bist du Gottes Sohn, so stürze dich vom Tempel, denn es steht geschrieben: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.“ (Psalm 91). Zweierlei zeigt uns diese kleine Episode:

Erstens wehrt Jesus den teuflischen Gebrauch der Schrift ab, indem er wieder die Hoheit über die Auslegung der Schrift gewinnt. Am Wahrheitsgehalt der Schrift hat der Diabolos kein Interesse. Vielmehr missbraucht er sie ausschließlich für seine eigenen Interessen. Dem muss widersprochen werden – damals und heute umso mehr, je subtiler die Kräfte wirken. Sich die Bibel so zurechtzulegen, dass sie passt auf das eigene Welt- und Wertebild – dieser Versuchung erliegen wir schnell. Ihr standzuhalten – dafür möge uns Kraft und Mut immer wieder bereitgestellt werden.

Nun stellt sich wieder die Frage, wer geht schon auf das Kirchturmdach, um sich mit dem Verweis auf die beschützenden Engel Gottes hinunterzustürzen?

Sicherlich niemand. Aber wer permanent ohne Helm mit dem Fahrrad durch die Stadt über rote Ampeln rast, strapaziert seinen Tauf- oder Konfirmationsspruch von den behütenden Engeln doch arg.

In der dritten Geschichte liegen die reiche der Welt als offenkundiges Symbol für Macht Jesus zu Füßen, wenn, ja wenn er nicht Gott anbetet, sondern den Diabolos. Nachdem die Hoheit über die Schriftauslegung zurückgewonnen wurde, kontert Jesus mit dem zornigen Verweis, dass er sich nicht durcheinanderbringen lassen wird und der Diabolos verschwinden soll.

Für Macht den Teufel anzubeten – hier spricht die Geschichte doch schon ein deutliches Wort in unsere Lebenswirklichkeit. Da schließen sich Menschen einer Partei an, in der Hoffnung, dadurch auf ihrem Karriereweg besser und schneller voranzukommen. Oder die kleinen Gemeinheiten im Alltag, die kleinen, feinen Lügen über Kollegen, um selber im guten Licht zu stehen. Dem Beruf die Familie opfern ist ebenso eine Anbetung falscher Werte. Und nicht zuletzt der fragwürdige Umgang mit eigener Gesundheit und Umwelt als Preis für eine hedonistische Lebensführung. „Ich zuerst“ heißt immer auch „Du bist mir egal“ und in dessen Fortführung: Gottes Werte und seine Liebe sind mir gleichgültig, wenn eigenes Vorankommen dadurch gefährdet wird.

 Fastenzeit will dreifach die Sinne schärfen:

-für das, was uns fundamental trägt

-für das, woran wir glauben und

-für das, woran wir uns orientieren in unserem Leben.

Dafür möge uns Gottes Gnade stärken und seine Liebe uns behüten. Amen.

 Gebet

 Hab Dank Herr, dass du nicht aufhörst, immer wieder neu anzufangen mit uns und deiner Schöpfung.

Stärke uns, durch deinen Geist, der verändert, wo alles festgefahren zu sein scheint.

Gib uns Mut, dort zu helfen mit Wort und Tat, wo wir gebraucht werden - in Kirchen zum Gebet, auf Plätzen und Straßen oder an Orten, die wir uns noch gar nicht vorstellen können.

Wir bitten Dich für alle, die nach Orientierung suchen. Komme Du Ihnen entgegen durch deinen Sohn Jesus Christus.

Vieles bewegt uns am Ende dieser Woche und wir bringen es in der Stille vor Dich

 

 

Vater unser im Himmel.

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Martin Hundertmark, Pfarrer an der Thomaskirche, hundertmark@thomaskirche.org