Ansprache in der Online-Motette

  • 02.05.2020
  • Pfarrer Martin Hundertmark

Wer ist schuld?

 Diese Frage, liebe Online-Gemeinde, wird immer dann gestellt, wenn etwas Schlimmes passiert ist. Meistens wollen wir mit ihr von eigener Verantwortung ablenken. In dieser Woche war zu erleben, wie die Schuldfrage nach dem Ausbruch des Coronavirus absurde Blüten trieb.

In den alten Texten der Heiligen Schrift finden wir im Buch der Psalmen die Ermutigung, sich zu eigener Schuld zu bekennen und diese vor Gott zu bringen. Hier steht für Schuld oft das Wort „Sünde“, welches ein Entfernen bzw. Entfremden des Menschen von Gott meint.

Im vorhin gehörten Psalm 51 lässt sich folgender Vers finden:

„Gott, sei mit gnädig nach deiner Güte;
und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit.“

Es ist die ernst gemeinte Bitte eines Menschen, der darunter leidet, dass er schuldig geworden ist. Vielfach geschieht dies ja unbewusst. Manchmal auch mit voller Absicht. Dann rutscht uns das beliebte „Ich entschuldige mich“ über die Lippen. Aber schon wenn ich diesen Satz ausspreche, zeige ich eigentlich, dass es mir gar nicht ernst damit ist. Denn dieser Alltagssatz ist völlig falsch, liebe Gemeinde, zumindest aus Sicht des Theologen. Selber vermögen wir es nämlich nicht, uns zu entschuldigen. Die Entschuldigung kann immer nur vom Gegenüber ausgehen. Darum muss ich ihn bitten und genau das, fällt uns so schwer – um etwas zu bitten, was wir uns nicht selber geben können, wo wir doch gerne alles autonom regeln wollen.

Die Bitte des Psalmbeters geht weiter.

„Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir 
einen neuen, beständigen Geist.
Verwirf mich nicht von deinem Angesicht,
und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir.“

Auch hier sehen wir unser Angewiesensein auf die Zuwendung, die jenseits unserer Möglichkeiten ist. Ein reines Herz steht für den Neubeginn, ebenso wie der neue, beständige Geist. Da stellt sich dann die Frage, wer trägt eigentlich die Schuld?

Gott sei Dank, und das im wahrsten Sinne des Wortes, muss ich die Schuld nicht alleine tragen.

Unter ihrer Last würde ich zerbrechen. Damit dies nicht geschieht, ist mir jemand zur Seite gestellt, der mitträgt, was mich belastet. Jesus Christus. Für sein Mittragen steht symbolisch das Kreuz.

Nun stellt sich die Frage: 
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

Als Erstes fällt mir Dankbarkeit ein. Denn solch göttliche Entlastung führt zur Freisetzung neuer Kräfte. Anstatt unter Fehlern und deren Folgen dauerhaft zu zerbrechen, anstatt den Mut zu verlieren, können wir befreit neu beginnen.

Deshalb steht als zweite Konsequenz die Umkehr. Ein „weiter so“ nach dem Motto, „sonntags bete ich und alltags mache ich weiter wie bisher“ ist mitnichten gemeint. Die Bitte um den neuen, beständigen Geist macht ja nur Sinn, wenn ich diesen dann auch nutze.

Mit einem neuen Geist der Verantwortung zu starten, ist jetzt wünschenswert. Solche Verantwortung stellt nicht die eigenen Bedürfnisse permanent an erste Stelle. Sie fragt nach meiner Umwelt, nach den Menschen, die mit mir leben und nach dem Raum, in dem ich lebe. Momentan nehmen wir leider das Gegenteil wahr. Tagtäglich tönt aus einer anderen Ecke der Schrei nach Staatsgeldern, die dieser gar nicht zur Verfügung hat. Wo Konzerne auf der einen Seite Milliarden an Dividende auszahlen und auf der anderen Seite nach finanzieller Rettung rufen, fehlt jegliches Verständnis.

So verspielen wir die Zukunft unserer Kinder und Enkel.

Ja, liebe Gemeinde, wir brauchen diesen neuen Geist ganz dringend, damit aus einer Katastrophe nicht die nächste geboren wird.

Die uns von Gott im Schöpfungsauftrag gegebene Verantwortung geht über das eigene Leben und erst recht über den kurzfristigen Vergnügungsgewinn hinaus. Wir müssen es endlich begreifen und umsetzen. Das viel gescholtene Wort „Nachhaltigkeit“ hat besonders in der momentanen Krisensituation ein großes Gewicht. Wir haben die Chance zum nachhaltigen Neustart in vielen Bereichen. Das betrifft die Feier der Gottesdienste ebenso, wie unser Wirtschaften oder unsere Freizeitverhalten.

Der morgige Sonntag Jubilate ist im Kirchenjahreskreis der Schöpfungssonntag.

„Jubelt über Gottes Schöpfung“. Sie hat so viel zu bieten. In ihr gibt es tagtäglich wunderbares zu entdecken. Zum Jubel gehört aber eben auch die Verantwortung. Mit einem Warnschuss erinnert uns die Natur gerade daran.

Möge er nicht überhört werden im großen Getöse all derjenigen, die meinen, es ist alles nicht so schlimm. 

Und der Friede Gottes, der unsere Vernunft übersteigt, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.