Ansprache in der Komplet am Heiligabend
- 25.12.2022 , 1. Christtag
- Pfarrerin Britta Taddiken
Ansprache Komplet Heiligabend 2022, 00.00 Uhr, Matthäus 1, 18-21-25
Liebe Gemeinde,
man nimmt ihn nur am Rande war. Aber in der Weihnachtsgeschichte des Matthäusevangeliums steht er als zentrale Gestalt im Mittelpunkt: Josef. Wie gut, dass es einen wie ihn gibt. Aber: Was heißt einen – es geht um Menschen, die sind wie er ist. Es geht um einen, der es schafft, seine Bedenken zu überwinden. Um einen, der das Schwache schützt und das Heilige hütet. Um einen, der in Bedrängnis klaren Kopf behält. Und zwar auch dort, wo die persönliche Enttäuschung und Verletzung groß sind. Das Kind, das seine Maria bekommen soll, ist nicht von ihm. Was in ihr heranwächst, ist nicht seins. Er hätte sie öffentlich anklagen können. Oder ihr einen Scheidebrief ausstellen und sie damit blamieren und ihren Ruf ein Leben lang schädigen. Aber das hat er nicht getan, hat sie nicht bloßgestellt. Heimlich wollte er sie verlassen, weglaufen vor der schwierigen Situation aber eben auch: Die „Schuld“ an der Schwangerschaft auf sich zu nehmen. Aus Liebe zu Maria und dem Kind.
Doch Gott weist ihm einen anderen Weg. Nicht weglaufen, sondern bleiben. Im Traum, dort geht ihm ein Licht auf. Ausgerechnet im Traum, ihm, diesem wachen, klardenkenden Menschen, geschieht es im Traum, dass ein Engel zu ihm spricht:
„Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk erretten von ihren Sünden.“
Ja, diese Nachricht braucht unser Innerstes, auch die Schichten, die vor und hinter dem Verstand kommen. Das, was auch dann in uns wach ist, wenn wir schlafen und nicht klar und logisch denken. Vielleicht gerade den Moment vor dem Aufwachen, der einen die Dinge ja manchmal klarer sehen lässt als das helle Licht des Tages.
Und Josef wird wach. Und er handelt. Er nimmt Maria und das Kind ganz unter seinen Schutz. Er zweifelt nicht, er fragt nicht, er tut es. Er hilft ihm auf die Welt. Er gibt ihm den Namen Jesus: Gott rettet. Durch ihn, Josef, wird öffentlich: in diesem Kind rettet Gott die Welt. Ohne ihn hätte es keine Überlebenschance. Und so geht er weiter alle Wege mit, so wie er den Weg nach Bethlehem gegangen ist. Er geht mit auf der Flucht vor den Kindermördern des Herodes nach Ägypten. Er geht ihn mit, den Heimweg nach Nazareth und dann auch wieder den Weg nach Jerusalem hinauf um das Kind im Tempel darzustellen. Und auch später ist er noch bei der sorgenvollen Suche nach dem verlorengegangenen 12jährigen im Jerusalemer Tempel dabei. Und dann verschwindet er, seine Aufgabe ist erfüllt.
Ohne Josef geht es nicht. Ohne Menschen, die sind wie er. Die tun, was er tat, als er sich zu Maria und diesem Kind gestellt hat. Der seine Fragen zurückstellt und handelt. Wo Gott Mensch wird, da gibt es keine Unbeteiligten. Da gibt es niemanden, der ausgeschlossen wäre oder sich heimlich davonstehlen müsste. Dich betrifft Weihnachten, dich als der, der du bist.
Das hat Josef verstanden. Bei ihm hat sich Gott in menschliche Hände begeben. Er, der einfache Zimmermann aus Nazaret, hat dazu beigetragen, dass Gott in dieser Welt Herberge gefunden hat. Dass seine Güte und seine Liebe bei uns Menschen einen Raum gefunden haben. Dass das neue Leben wachsen konnte in einer Welt, die gefährlich ist. In der gemordet wird – damals wie heute. In der Krieg geplant und geführt wird, immer wieder, bis heute. In der die Schwachen nicht viel zählen. In der Menschen
auf der Flucht sind.
Aber, so erzählt es uns die Geschichte von Josef: Genau hier wird es Weihnachten. Gott wird in die Welt hineingeboren, wie sie ist – und nicht in eine bessere. Deshalb wird immer jemand wie Josef gebraucht. All die Josefsmenschen, zu denen auch wir auf unsere Art gehören können. Auch uns vertraut Gott sich an. Mit uns hat Weihnachten zu tun. So wie wir sind, werden wir gebraucht, damit Gott unter uns zur Welt kommen kann, auch an Weihnachten 2022. Wir Josefsmenschen können ihm auf die Welt helfen. Wo Gott Mensch wird, damit wir Menschen menschlicher werden können, können wir nicht sagen, damit haben wir nichts zu tun. Gott vertrauen, Handeln, das Schwache schützen, das Heilige hüten, damit wird der Mensch zu Weihnachten beauftragt. Ein Geschenk, das uns fordert. Tragen wie es also in die Welt, dorthin, wo man uns braucht. Amen.
Britta Taddiken, Pfarrerin an der Thomaskirche, taddiken@thomaskirche.org