Predigt im Gottesdienst zur Konfirmation über Apostelgeschichte 16, 23 - 34

  • 19.05.2019 , 4. Sonntag nach Ostern – Kantate
  • Pfarrerin Taddiken

Liebe Gemeinde, liebe Konfirmanden,

wer von Euch hat als Konfirmationsspruch: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“?

Gut, dann solltet ihr jetzt besonders gut zuhören und die anderen gut. Es geht um eine Geschichte aus der Bibel. Die ist heute in allen evangelischen Kirchen Grundlage für die Predigt. Und das ist eine von denen, die mir am liebsten sind. Warum? Weil sie alles auf den Kopf stellen – oder auf die Füße, je nach dem. Weil sie eben genau das zeigt: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ Sie spielt im Gefängnis. Da gibt es Gefangene und da gibt es Leute, die sie einsperren. Aber man merkt sofort, wer hier eigentlich gefangen ist und wer frei. Paulus kommt vor. Den kennt ihr. Und Silas, ein Freund. Sie waren in Schwierigkeiten geraten wegen ihrer Predigt. Das hatte einigen nicht gepasst. Und dann ist es ihnen übel ergangen. Die Geschichte geht so:

Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Kerkermeister, sie gut zu bewachen. 24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block. 25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und es hörten sie die Gefangenen. 26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen und von allen fielen die Fesseln ab. 27 Als aber der Kerkermeister aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29 Der aber forderte ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30 Und er führte sie heraus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? 31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde und ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und bereitete ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war. 

Wer ist hier frei und wer ist gefangen? Auf jeden Fall der Kerkermeister: Er hat Druck. Darf nichts falsch machen. Bloß nicht die Gefangenen fliehen lassen. Er will sich umbringen als die Türen offenstehen. Paulus und Silas beten und loben Gott. Da würde man in ihrer Situation nicht gleich drauf kommen. Würde eher jammern und sich leidtun. Sie beten und loben Gott. Die Geschichte sagt: Das bringt die Grundmauern ins Wanken. Die Leute wollten sie noch tiefer ins Loch bringen, die Füße in den Block, wollten sie verschwinden lassen. Aber das löst sich hier auf. Jedenfalls für Paulus und Silas. Es fällt ab von ihnen. Warum sollten sie fliehen? Sie sind ja frei – und haben einen Blick für den armen, in sich gefangenen Kerkermeister. Der merkt, was da passiert: Da sind Leute frei. Er will das auch. Wie geht das, wie kann ich frei werden? „Glaube an den Herrn Jesus Christus – und du wirst selig.“ Wenn du es tust, wirst du es merken. Paulus und Silas haben es ihm vorgemacht. Das ist übrigens etwas ganz was anderes als „Du musst“. Das gibt’s ja auch: Du musst glauben. Klingt christlich. Ist es aber nicht. Zu glauben öffnet immer den Weg in die Freiheit. Es ist nie andersrum – oder es ist kein Glaube.

Wir waren knapp zwei Jahre auf diesem Weg. Das zu entdecken: Glaube führt Menschen in die Freiheit. Macht sie stark, gibt ihnen Orientierung bei dem, was sie tun. Wir haben Menschen erlebt, die ihren Glauben im Beruf leben - einige Eurer Eltern haben uns da rein gucken lassen. Wir haben euch auch von unseren Glaubens- und Befreiungsgeschichten erzählt: Ute, Richard, Naima, Markus Dieringer. Und wir haben auch erfahren: Es geht nicht immer gut aus wie hier bei Paulus und Silas. Jedenfalls nicht nach den Erfolgsmaßstäben dieser Welt. Erinnert Euch an Georg Elser auf unserer Konfirüstzeit in Dresden. Oder an die Lebensgeschichte von Pfarrer Paul Schneider, als wir uns mit dem ersten Gebot beschäftigt haben. Der hatte 1934 bei der Beerdigung eines Hitlerjungen nicht den Mund gehalten als der Kreisleiter der NS-Partei am Grab gesagt hat: „Du bist nun hinübergegangen in den himmlischen Sturmbann Horst Wessels.“ Seine Antwort: „Ob es einen Sturmbann Horst Wessels im Himmel gibt, weiß ich nicht, aber Gott, der Herr, segnen deinen Ausgang und Eingang bis in Ewigkeit.“ Dafür ist er verhaftet worden. 1937 ist er ins KZ Buchenwald gekommen. An Hitlers Geburtstag hat er sich geweigert, die Hakenkreuzflagge zu grüßen. Er wollte diesen Götzendienst der Nazis nicht mitmachen. Dafür wird er im Bunker gefoltert. Von dort ruft er immer wieder Mitgefangenen zur Stärkung Bibelworte zu. Richtet sie auf, innerlich. Das stört die Nazis. Sie können nichts tun. Sie bieten Paul Schneider an, er kann freikommen, wenn er über Buchenwald schweigt. Seine Antwort: „Der erste Bordstein draußen wird die Kanzel, von der ich eure Verbrechen dem ganzen Volk predigen werde.“ Später wird er mit der Giftspritze ermordet.

Ist diese seine Geschichte schlecht ausgegangen? Ich denke, das wäre sie, wenn er am Ende um sein Leben gebettelt hätte. Wenn ihn die Kraft verlassen und er sich vor ihnen hätte klein machen müssen. Aber: Er ist als freier Mensch gestorben – obwohl gefangen.

Ihr wisst von mir: Ich erzähle solche Geschichten nicht um zu sagen: So müssen wir als gute Christen auch alle sein. Nein, das schaffen die wenigsten. Aber was hier deutlich wird: Was der Glaube einem Menschen ermöglichen kann. Dass man stark ist, wo man es nicht geahnt hat. Kräfte, die Gott weckt. Und dann werden unmögliche Dinge möglich. So ist das, denke ich, gemeint: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“

Und wisst ihr, wenn man dieser Erwartungshaltung lebt – da kann in meinem Leben etwas passieren, selbst im finstersten Loch noch. Wenn man sich dem überlassen kann, dass Gott mir Dinge ermöglicht, mit denen ich nicht rechne, dann kann ich auch so etwas wie einen „Glaubenssprung“ wagen. Dazu gehört schon, in solch einer Lage wie Paulus und Silas nicht zu jammern, sondern zu singen. Innerlich schon über die Mauern zu springen, die einen gefangen halten. Springen. Gesprungen seid ihr ja auch. Wir haben in Dresden die Jugend- Olympia-Wasserspringer besucht und mit ihnen gesprochen. Wie die sich auch immer wieder überwinden - immer ein Stück rüber über die Angst. Vertrauen, es wird gehen und dann springen. Ihr habt es auch versucht von 3,5,7, einige von 10 Metern. Und ja nicht nur, weil diese Trainerin gerufen hat. „Zack, zack, jetzt los!“ Die hatte einen ganz schönen Ton am Leib, mein lieber Schwan. Aber vielleicht wollte sie, dass man mehr Angst vor ihr hat als vor der Höhe. Ich feige Socke bin ja unten geblieben, aber einer musste ja auch die Fotos machen. Nun ja. Aber man muss auch nicht jede Lektion mitmachen in Sachen: Du wirst nur merken, dass es geht, wenn du es tust.

Ich wünsche Euch, dass ihr erfahrt, wie Paulus und Silas: Mein Glaube bewegt etwas. Auch und gerade wo so viel dagegen zu sprechen scheint. Es gibt noch einen zweiten Favoriten bei Euren Konfirmationssprüchen: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde Du das Böse durch das Gute.“ Wir beten für Euch, dass ihr das tun könnt. Dafür segnen wir Euch. Dass ihr freie Menschen bleibt – auch dann, wenn das Leben Mauern um Euch ziehen sollte. Keinem bleibt das erspart. Denkt dran, was Euch stark macht. Wisst Ihr noch? Wir haben uns zum Bachfest mit der Kantate „Was Gott tut, das ist wohlgetan“ beschäftigt. Da wird das schon in der ersten Strophe auf den Punkt gebracht: „Er ist mein Gott, der in der Not mich wohl weiß zu erhalten“. Gott schenke Euch und uns, dass wir das glauben können. So lasst es uns singen. Amen.

Britta Taddiken, Pfarrerin an der Thomaskirche, taddiken@thomaskirche.org