Motettenansprache zum Michaelistag

  • 29.09.2017 , Michaelistag
  • Pfarrer Hundertmark

Motettenansprache zum Michaelistag am 29.09.2017, St. Thomas zu Leipzig um 18 Uhr

Liebe Motettengemeinde,

mit brennender Sorge und steigendem Befremden können wir eine Verrohung der Sprache und des mitmenschlichen Umgangs untereinander beobachten. In den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden nach Aufrufen Menschen durch die Straßen gejagt, weil sie eine andere politische Einstellung hatten. War die Jagd erfolgreich, gab´s eins in die Fre… (sie wissen schon)

Nach der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag scheint sowohl Hinterhofproletariatsvokabular zum schlechten Ton zu werden, wie auch bewusste Anleihen an nationalsozialistisches Gedankengut Einzug gehalten haben.

Wollen wir so leben? Wollen wir uns von solch politischen Haltungen und solchem Stil führen lassen? Nein, das wollen wir nicht! Wir wollen vielmehr unser Leben wertgeschätzt wissen, wollen uns streiten dürfen um Meinungen und Konzepte, ohne dabei den Gegner bzw. unser Gegenüber niederzumachen. Wir willen Halt und Sinn finden in Worten, die von Liebe statt von Hass erzählen, so wie es Jesus Christus tat.

Der heutige Michaelistag erinnert uns im kirchlichen Festkalender an den obersten aller Engel, den Erzengel Michael, der siegreich hervorging aus dem Kampf mit dem Satan. Im Buch der Offenbarung finden wir im 12. Kapitel die entsprechende Stelle, wo es heißt:

„Und es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, 8 und er siegte nicht, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. 9 Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt. Er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen.“

Dort nun treibt er weiter sein Unwesen. Gott aber stellt uns Boten zur Seite, die den Weg weisen, die sich manchmal in den Weg stellen, um uns zu bewahren. Wir kennen die Sehnsucht nach den Schutzengeln, deren Tätigkeit wir für unsere Kinder, Enkel oder Partner von Gott im Gebet erbitten. In der christlichen Tradition ist der Erzengel Michael der Beschützer der Seelen der Menschen. Er wird manchmal mit der Seelenwage dargestellt, als Symbol dafür, dass wir uns vor Gott verantworten müssen für unser Tun, für unseren Glauben, aber auch für unsere Zaghaftigkeit, für Feigheit und Wegschauen. Wir werden dabei begleitet, aber wir werden nicht aus der Verantwortung entlassen.

Engel als Boten und Kämpfer Gottes sind nicht nur die niedlichen Barockfiguren. Sie stehen, wie im Fall des Erzengels Michael, für Glaubensstärke und Glaubenstreue.

In unserer Thomaskirche findet sich der Erzengel Michael im Fenster, welches dem Schwedenkönig Gustav II. Adolf gewidmet ist. Hier wird ganz deutlich der Akzent auf die Bewahrung des rechten Glaubens gelegt. Michael, dessen Namensübersetzung bedeutet „Wer ist wie Gott?“, kommt als Engel auch im Judentum und Islam vor. Gerade die Namensfrage macht deutlich: Niemand ist wie Gott, weil ihm allein die Ehre und Anbetung gebührt. Nicht Engel oder Mächte beten wir an, sondern Gott durch Jesus Christus.

Dass der das Böse verkörpernde Drache mit seinen 7 (oder 94 Köpfen) auch heute noch Macht ausüben kann, lässt Sorge und Befremden nicht kleiner werden. Vorsicht ist immer da geboten, wo der Verführer uns führen will. Sich dagegen zu wehren ist nicht leicht, ist mit großen Anstrengungen verbunden. Eine dieser Anstrengungen liegt darin, sich seines Verstandes und seiner Freiheit zu bedienen. Wir sind als Christen zur Freiheit befreit durch Jesus Christus. Das aber bedeutet unweigerlich: Wir haben die Verantwortung für unseren Glauben und unser Handeln.

Als Christen ist es daher unsere Pflicht und Aufgabe, dort den Mund aufzumachen, wo andere aus wahltaktischen, aus politischen oder kirchenpolitischen Gründen nicht zur klaren Sprache finden. Klare, vom Evangelium Jesu Christi ausgehende Sprache hat zum Inhalt,

dass Liebe und Zuwendung, Menschenwürde und Menschenachtung uns in unserem Handeln leiten müssen, weil wir sonst unglaubwürdig werden. Von daher betrachtet, lässt sich glaubwürdiges Christsein nicht mit der Partei in Einklang bringen, die vorgibt, eine Alternative für Deutschland zu sein. Wer auf den oder die Verführer hereinfällt, braucht Unterstützung. Geben wir sie den Menschen, die verunsichert sind, indem wir unmissverständlich auf das Evangelium von Jesus Christus hinweisen. Nächstenliebe verlangt Klarheit und Mut. Die jedem Menschen von Gott geschenkte Würde darf nicht mit Füßen getreten werden aus Neid oder Angst vor Veränderung und Eigenverantwortung.

Die biblische Erzählung vom Erzengel Michael lehrt uns, dass trotz aller Schrecken das Böse schon besiegt ist – vor Erschaffung der Welt, dass unser Heil nicht im Sieg irgendwelcher Parteien liegt, sondern einzig und allein in der Erlösung durch Jesus Christus. So wollen wir mit Ph. Melanchthons Worten danken, dass du, Herr Jesu Christ, der Herr der Engel bist und uns die Wächter sendest. Erhalte uns in deiner Hut und rette uns, Herr, durch dein Blut, wenn du den Streit beendest. (nach EG 143,8) Amen.

Martin Hundertmark Pfarrer an der Thomaskirche zu Leipzig (hundertmark@thomaskirche.org)